DAAD-Preis: LMU-Studentin überzeugt mit Einsatz für internationale Verständigung
04.12.2025
Auszeichnung für LMU-Politikwissenschaftlerin: Polina Pienkina hat sich neben ihrem Studium an der LMU für die Beziehungen zwischen EU und Ukraine engagiert.
04.12.2025
Auszeichnung für LMU-Politikwissenschaftlerin: Polina Pienkina hat sich neben ihrem Studium an der LMU für die Beziehungen zwischen EU und Ukraine engagiert.
Wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer ist Polina Pienkina im Jahr 2022 nach Deutschland gekommen, zu Beginn des russischen Angriffskrieges. In ihrem Fall allerdings war der Studienaufenthalt geplant – im Rahmen ihres Bachelorstudiums der internationalen Beziehungen verbrachte sie zunächst ein Jahr als Austauschstudentin an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen, für den Master wechselte sie an die LMU.
Neben der Uni war die angehende Politikwissenschaftlerin „Young European Ambassador“, setzte sich aktiv für die europäische Integration der Ukraine ein. Ihre herausragenden Studienleistungen und ihr außeruniversitäres Engagement wurden nun mit dem DAAD-Preis ausgezeichnet, der ihr am 4. Dezember verliehen wird.
Seit 2023 an der LMU: Polina Pienkina | © LMU/Johanna Weber
Polina Pienkina wird 2001 in Kyiv geboren, wächst in einem Haus auf dem Land auf, zur Schule geht sie in der Stadt. Ihre Kindheit hat sie als schön und ruhig, friedlich in Erinnerung. Mit ihrem Studium beginnt für sie ein neuer Lebensabschnitt, in dem sie ihre Leidenschaft für Politik entdeckt. Sie tritt in einen Debattierclub ein, der an der Uni in Kyiv angeboten wird. In sogenannten „Tournaments“, in denen jeweils zwei Personen die Rolle der „Regierung“ (Pro) und der „Opposition“ (Kontra) einnehmen, lernt sie, verschiedene Positionen zu vertreten, die oft nicht ihre eigenen sind. „Es hilft, die andere Seite zu verstehen, als kognitiver Prozess: Wie kommen Personen zu dieser Meinung?“ Dabei sei es wichtig, faktenbasiert zu argumentieren, schließlich beriefen sich viele Meinungen auf Gefühl.
Die Debattier-Wettbewerbe stärken Polina nicht nur rhetorisch, sondern ermöglichen ihr auch Reisen durch die ganze Ukraine – bis die Pandemie und später der Krieg kommen.
In Deutschland angekommen, lenkt sich Polina Pienkina mit dem Studium ab, während ihre Bekannten und Freunde teilweise ohne Strom und Internet isoliert voneinander zuhause in Kyiv bleiben, so auch ihr Vater. Trotzdem versuchte sie stets, das Gute zu sehen: „Als ich umgezogen bin, habe ich gespürt: Mir gefällt es hier, ich habe eine schöne Wohnung, ich habe schon Freunde, ich bin etabliert. Aber man fühlt sich nie wie zuhause.“
Ein wenig Trost spendet der Austausch mit anderen internationalen und vor allem ukrainischen Studierenden. Für außeruniversitäre Tagungen (wie die Young Security Conference 2024 oder das Future European Leaders Forum 2023), in deren Rahmen sie auch publiziert, meldet sie sich oft eigeninitiativ an: „Ukrainerinnen und Ukrainer lieben sowas, weil sie gerne anderen von ihrem Land erzählen.“
Deutsch hat Polina bereits in der Schule gelernt. Später in der Uni nahm sie weitere Deutschkurse wahr. Trotzdem sei es ein Unterschied, plötzlich wirklich von der Sprache umgeben zu sein: „Anfangs war ich dauerhaft gestresst. Selbst als mich ein Prof nur darum gebeten hat, das Licht einzuschalten, und ich ihn nicht verstanden habe.“ Nach ein paar Monaten dann, mit der Gewohnheit, habe sie sich schließlich „frei“ gefühlt.
Abseits des Studiums, verschiedener Tagungen und Praktika ist Polinas „größter Flex“, wie sie selbst sagt, die Organisation des Ideathon „Think2Change“: Ein Wettbewerb, bei dem Projektentwürfe miteinander konkurrieren. Diese müssen zwar im Konzept bis hin zur finanziellen Planung ausgearbeitet sein, eine Entwicklung und Umsetzung ist dabei aber nicht notwendig. Das Thema: Wie kann die Ukraine möglichst schnell in die EU integriert werden?
Die Veranstaltung samt einer Tagung, Lesungen und Kursen dauerte etwa eineinhalb Wochen und fand online statt. Für die Vorbereitung brauchte Polina mehrere Monate, was ihr im Weg stand, war zunächst die Finanzierung. Also wandte sie sich an EU Neighbours East, ein Programm, das die EU-Kommunikation zu ihren östlichen Nachbarn verbessert, gegen Desinformation arbeitet und die Vorzüge sowie Politik der EU verständlich macht. Hier bekam sie Unterstützung, wurde „Young European Ambassador“ und konnte das Projekt schließlich durchführen.
An die LMU kam Polina Pienkina 2023, weil es ein Kursangebot zu quantitativen Methoden der Politikwissenschaft gab. Sie ist ehrgeizig, möchte immer dazulernen. Eines von Polinas wissenschaftlichen Steckenpferden ist die Debatte rund um Waffenlieferungen in die Ukraine. In ihrer Masterarbeit untersuchte sie unter anderem, welche Faktoren eine Befürwortung von Waffenlieferungen begünstigen und wie sich diesbezüglich in den NATO-Staaten ein Paradigmenwechsel vollzogen hat.
Nach studentischer Mitarbeit bei Acatech im letzten Jahr, der German Academy of Science and Engineering, die sich mit politischer Beratung rund um Energiesysteme befasst hat, will Polina sich nach ihrem Masterabschluss nun eine Auszeit von der Wissenschaft nehmen. Promotion? Ja, vielleicht irgendwann. Erst einmal möchte sie in die „Advocacy für Ostpolitik“ und sich auch beruflich für die Inklusion der Oststaaten einsetzen.
Ursprünglich einmal wollte Polina Diplomatin werden, was sie bereits zu Beginn ihrer Studienzeit verwarf: „Ich musste bisher immer wieder neue Themen entdecken und Recherchen anstellen, mich weiterentwickeln. In der Politik ist es eher statisch, man wählt eine Position, die man verkaufen muss. Dabei gibt es Anreize, die Meinung nicht zu stark zu verändern, weil man sonst Wählerinnen und Wähler verliert. Das ist mir zu langweilig.“
Professor Paul Thurner, Lehrstuhlinhaber für empirische Politikforschung an der LMU, schlug Pienkina für den DAAD-Preis vor: Sie habe sich unter anderem durch besondere Studienleistungen und ihre herausragenden analytischen wie methodischen Fähigkeiten qualifiziert. Der Professor ist eine Art Mentor für die Ukrainerin geworden, da er sie seit ihrem Studium an der LMU nicht nur in ihren wissenschaftlichen Vorhaben unterstützte und erkennbar in ihrem Denken inspirierte, sondern ihr auch eine Zusammenarbeit in Form einer Stelle als wissenschaftliche Hilfskraft und Tutorin anbot.
Den Preis empfängt Polina mit Dankbarkeit, sie habe überhaupt nicht damit gerechnet. Er ermöglicht ihr, weiter in ihre Bildung zu investieren und gibt ihr das Gefühl, in ihrer Arbeit gesehen zu werden. Darüber hinaus sei er eine Chance, etwas über sich zu erzählen, egal, welche Leidenschaft man habe, die man mit der Welt teilen will. Sie selbst möchte weiterhin etwas für internationale Beziehungen tun, denn es sei „faktisch richtig, dass europäische Integration wichtig für die Ukraine“, zudem aber auch in unser aller Interesse ist: „Wenn die Ukraine vor Russland sicher ist, so ist es auch Europa“, ist sie überzeugt.